Wolfgang Büscher – „Hartland“

Rating: ★★★★☆ 

Wolfgang Büscher ist für ausdauernde Wanderungen und deren literarische Beschreibung hinlänglich bekannt.

Ging er einst zu Fuß von Berlin nach Moskau, so begleitet der Leser ihn nun auf seiner Reise zu Fuß durch die USA – und zwar nicht auf der üblichen Ost-West-Achse, sondern von Nord nach Süd, genauer von North Portal an der kanadischen Grenze bis Matamoros in Mexiko in drei Monaten, 3500 Kilometer. Manchmal fährt er in Autos mit, deren Fahrer ihn vom Straßenrand aufgabeln, selten im Bus. Er erfährt sich Amerika nicht, er geht zu Fuß.

So macht sich Büscher denn auf den Weg durch die Great Plains, durch die windigen Staaten des Mittleren Westens, Nebraska, Kansas, Oklahoma. Immer orientiert er am Missouri oder dem Mississippi. Er durchwandert Städte der „Frontier“, jener Grenzlinie, die die amerikanische Westwärtsbewegung zur Zeit der Besiedlung beschreibt.

Es ist ein überwiegend bedrückendes Buch. DeBüscher erzählt uns nämlich nicht nur von den Naturschönheiten und der weiten Natur Nordamerikas, sondern auch von seiner Verkommenheit. Er erzählt uns noch einmal die Geschichte vom Untergang seiner Ureinwohner, von „Wounded Knee“ und „Sitting Bull“. Amerikas Ureinwohner und ihre halbblütigen Nachfahren heute leben in den einsamen Bars und Spielhöllen der Reservate, hausen in Trailerparks, verkommen und trinken.

Büscher lässt auch historische Zeugen zu Wort kommen, wie den Prinzen zu Wied, der 1833 den Missouri hinauffuhr, um das „innere Nordamerikas“ zu erforschen. Sein Buch führt Büscher im Rucksack mit. Auch Knut Hamsum, den späteren Literaturnobelpreis aus Norwegen, lässt er von den Erntehelfern des 19. Jahrhunderts berichten.

Keinesfalls geht dabei die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft seiner Bürger unter: „Need a ride?“ Fast überall begegnet der Büscher hilfsbereiten Menschen in den Trümmern des „american dream“.

Büscher startet, was wohl wenige sonst riskiert hätten, mitten im kontinentalen Winter:
„Im Jahr, als der Winter nicht enden wollte, ging ich nach Amerika hinunter, ein dunkler Punkt in der weißen Unendlichkeit der nördlichen Great Plains, eine Ameise im Schnee.“

So beginnt er seine Erzählung. Bereits bei der Einreise machen es ihm die USA schwer, überhaupt ins Land zu kommen. Viele Stunden wird er verhört. Zu Fuß durch Amerika?

„Hartland“ nennt Büscher sein Buch, dem Gebiet, das seine Bewohner gerne Middle America oder noch lieber „Heartland“, andere abwertend „Fly-over-Country“ nennen. Hartland heißt auch eine verlassene Siedlung mit einem halben Dutzend Bretterbuden, wohl von Deutschen gegründet und zunächst „Heartland“, Herzland, geschrieben, dann umbenannt in Hartland, deutscher Zunge gemäß, gerade noch gerade gut genug für ein Nachtquartier.

 

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Eine Antwort zu Wolfgang Büscher – „Hartland“

  1. Raimund bardua sagt:

    Ein Büscher, den man wieder gelesen haben MUSS.
    Der Autor zieht uns aus unserer engen Welt hinaus in die Weite und zwar in eine andere, uns oft selbst fremde Welt und dies durch die ungeheure Tat seines Gehens, durch seinen Blick auf die Rückseite des Majestätischen, durch zupackende und dennoch manchmal ganz leicht schwebende Prosa und durch die Fähigkeit, im Einfachen unseres Leben das Glück unseres Lebens zu finden und zu beschreiben – Beispiel : „Need a Ride?“

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