Axel Hacke/Giovanni di Lorenzo – Wofür stehst Du?

Rating: ★★☆☆☆ 

Wir leben in einer Zeit des Rückzugs ins Private und der Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortung. Stattdessen herrschen Missmut, Frust und Unzufriedenheit über den Staat. Die Beteiligung an Wahlen sinkt kontinuierlich, die Bereitschaft, sich als Bürger zu engagieren, wird immer geringer. Dafür wachsen Ansprüche auf der einen, Gleichgültigkeit auf der anderen Seite. Das ist halten beide Autoren angesichts großer Herausforderungen eine unakzeptable Situation.

„Wofür stehst Du?“, das ist als Frage, die sich die beiden Journalisten selber stellen. Die beiden Autoren begeben sich auf Spurensuche im eigenen Leben. Erwachendes politisches Bewusstsein und von den Eltern unkritisch übernommene Meinungen bestimmten anfangs das Leben der heute Fünfzigjährigen. Freiheit, Gerechtigkeit, Empathie, wer stünde nicht dafür?

Die Autoren haben das Buch angelegt wie einen Briefwechsel: Einer schreibt, der andere berichtet, was ihm dazu einfällt. Das wirkt manchmal etwas steif. Man sucht nach Antworten zu Themenfeldern aus Politik und Staat, Klimawandel, Gerechtigkeit, Migration und Fremdheit, Angst und Depression, Krankheit und Tod.

Axel Hacke fragt immer wieder, ob früher alles besser gewesen sei; ob es, zum Beispiel, mehr Charakterköpfe gegeben habe, stärkere Temperamente, gerade unter den Politikern. Giovanni di Lorenzo legt Widerspruch ein:  Nichts, absolut gar nichts, sei früher besser gewesen.

Beide üben harsche Kritik an der ständigen Nörgelei über unser  Gemeinwesen, in der die Fürsorge für den einzelnen und das Recht in jeder Lebenslage funktioniert. Wir lebten in einer der besten denkbaren Welten, wie sie anmerken.

Und genau das ist der Schwachpunkt dieses Buches: Die saturierte Zufriedenheit mit dem Status quo zweier arrivierter Herren im besten Alter. Dass man nicht Chefredakteur der größten deutschen Wochenzeitung oder des SZ-Magazins wird, wenn man nicht mit beiden Beinen auf dem Boden der Verfassung steht, ist selbstredend.

Doch wenn Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo fordern, dass wer sich nicht selber politisch engagiert, sich auch nicht über die herrschende Politik beklagen dürfe, dann ist das ist, mit Verlaub und bei allem Respekt, ein großer Schmarren! Dieses rhetorische Totschlagargument ist nicht weit entfernt vom einstigen „Dann geh doch rüber!“ – ein Maulkorberlass für alles Kritische.

Der Unterschied zwischen einem Studenten und einem Promovierten ist, dass Ersterer Wissen erworben hat und Zweiterer Erkenntnis – jedenfalls in der Regel. Axel Hacke und Giovanni di Lorenzo ziehen trotz ihres profunden journalistischen Wissens die falschen Schlüsse – und das ist mehr als ärgerlich.

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