Cees Nooteboom – „Schiffstagebuch“

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Wer Nooteboom liest, wird erleuchtet„, schreibt Ulrich Greiner. Recht hat der Mann! Denn wer kann schon literarisch so gekonnt über fremde Länder schreiben, einen Abriss ihrer historischen Entwicklung geben und gleichzeitig den Leser mit auf die Reise nehmen?

Schiffstagebuch“ heißt das neueste Buch des niederländischen Nobelpreis-Kandidaten. Denn in diesem Buch berichtet uns Nooteboom – wieder – von Reisen, von
Schiffsreisen, die er unternommen hat. Das ist ein bisschen geschwindelt, weil Cees Nooteboom zwischendurch schon auch mit Auto und Flugzeug unterwegs ist.

Doch wer mit dem Schiff reist, reist anders. Die Langsamkeit des Schiffs überträgt sich auf die Wahrnehmung des Reisenden. Denn man kann Reisen, um anzukommen. Man kann aber auch Reisen, um wieder heimzukommen. Wenn Cees Nooteboom reist, dann in Sachen Literatur.

Nooteboom nimmt seine Leser mit auf Fahrt in reale, literarische und philosophische Gegenden unserer Welt. Er führt uns an Orte, die wir so nie sehen würden. Für sein „Schiffstagebuch“ hat er zwischen 2003 und 2010 Chile, Argentinien, Mexiko, Indien, Südafrika, Australien, Bali und Spitzbergen besucht und zu einem Potpourri aus Reportage, Essay, Erzählung und Tagebuch vermischt. Nooteboom schafft es nach langen Erzählpassagen wie zum Beispiel denen über die Totenverbrennungen in Benares, immer auch wieder ganze Länder und Kulturen in nur drei, vier Sätzen festzuhalten.

„Mein Leben wird von Schriftstellern bestimmt“, schreibt Nooteboom gleich zu Beginn seines „Schiffstagebuchs“. Das ist keine Floskel, sondern bibliophile Sucht für Nooteboom, der immer wieder in Büchern versinkt oder auch in Museen verschwindet, um dann in langen Passagen sein gerade gelerntes Wissen wiederzugeben und Episoden aus der Geschichte der bereisten Länder nachzuerzählen.

Doch Nooteboom warnt uns: „Du kannst fremde Welten sehen und verstehen. Aber du kannst sie nicht werden, denn du wirst immer auf dem Stuhl eines anderen sitzen.“

„Schiffstagebuch“ wurde übersetzt von Helga van Beuningen. Die Fotos stammen von seiner Gefährtin Simone Sassen.

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